Vollmondbesoffen – Gedicht, Gartenzwerg blickt in Nachthimmel
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Vollmondbesoffen

Mich auf’s Leben einlassen

Das Leben ist ein Angebot. Es lädt mich ein, es zu leben. Also so voll echt halt, nicht mit angezogener Handbremse und Sicherheitsnetz. Natürlich ist es ein guter Gedanke, Vorkehrungen zu treffen. Aber immer wieder öffnen sich Momente und Situationen, auf die ich mich einfach nur im Vertrauen einlassen kann – oder halt nicht.

Dabei geht manches gut und anderes scheinbar nicht. Gerade darin aber erweist sich die ganze lebendige Fülle des Lebens. Die Vernunft ist ein guter Begleiter, aber oft genug wird sie ja auch zum kleinkarierten, ängstlichen Bremser. Leben allerdings kann man nur erleben, indem man sich drauf einlässt.

Kapitel:

  • 00:00:00 Intro
  • 00:00:26 Vollmondbesoffen – Solo
  • 00:03:03 Mich auf’s Leben einlassen
  • 00:10:35 Vollmondbesoffen (Remix)
  • 00:14:56 Outro

Transkription

Vollmondbesoffen

Dieses eine wilde Leben
Das so rasend schnell vorbei
Will ich’s halten in dem Kleinklein?
Dieses eine feine reine Sein

Das Glas der Tage
Schnell leergetrunken
Und ich?
Bin vom Leben ich betrunken?

Ich will mich heute wild besaufen
Im Komorebi mich berauschen
Irrwitzig schmale Gipfelgrade laufen
Lustvoll dem Tag den Schneid abkaufen

Nur zusammen ist’s noch schöner
Und gemeinsam macht’s mehr Sinn
Einsam kann’s noch immer werden
Komm mit mir und gib dich hin

Lass uns über Felsen springen
Völlig schräge Lieder singen
Bringen wir den Tag zum Klingen
Süßer Saft aus harten Dingen

Dieses eine wilde Leben
Das so rasend schnell vorbei
Will ich von ganzem Herzen leben
Komm doch mit, wir sind so frei

©️ Lachender Bach/Peter Müller 2024

Mich auf’s Leben einlassen

Vor vielen Jahren hab ich mich mal selbst einer Mutprobe unterzogen, um ein altes Jugendtrauma endlich anzugehen. Diese Mutprobe bestand darin, in einem Nachtclub eine Frau anzusprechen, die ich interessant fand. Als ich sie so eine Weile betrachtete, machte sich meine schüchterne Panik in mir breit. Gleichzeitig war da eine neugierige Aufregung. Mein Hirn war leer, wie das denn funktionieren sollte. Aber irgendetwas in mir brachte mich dazu, einen Fuß vor den anderen zu setzen und loszugehen. Ich war völlig ohne Idee, wie ich sie ansprechen würde, und sah mir fast schon dabei zu, wie ich meinen Körper durch den Raum auf sie zu bewegte. Zu meinem großen Erstaunen kamen ganz passable Worte aus mir hervor und wir saßen bestimmt eine Dreiviertelstunde an der Bar und schrien uns unsere Geschichten ins Ohr. 

Sie erzählte mir von ihrem Job als Controllerin in irgendeinem Konzern, und wie sehr das Leben reglementiert sei. Ich konnte ihren Hunger nach Lebendigkeit spüren und die Sehnsucht, in die Freiheit zu gehen, die Welt zu entdecken und sowas wie einen eigenen Weg zu entdecken. Nach dem schon ziemlich intensiven Gespräch, das wir uns im Tosen der Musik in aller Ruhe ins Ohr brüllten, war es so klar sichtbar, dass da der Weg lang ging. Drum forderte ich sie heraus, und fragte sie, ob sie denn nicht ihren Job sausen lassen und was Neues wagen möchte. Ich spürte: Sie konnte klar sehen, dass das der Weg war. Nun begann sie allerdings etwas zu tun, das ich nur zu gut von mir selbst und anderen kenne – sie begann, mich mit einem Schwall an gewichtigen Gründen zu überschütten, warum das alles ja nicht gehen würde. Ja, so ist unser Verstand – der findet Gründe ganz schön gut. 

Mich wirklich auf’s Leben einzulassen, ist eine ganz schöne Nummer. Denn die Wellenbewegung der Lebendigkeit zu surfen bringt mich nicht nur in Höhen, sondern auch in Tiefen. Und so euphorisch und wundervoll die Höhen sein können, so grausam, dunkel und fies können die Tiefen sein. Allein schon die Vorstellung an die Tiefen kann mir den Mut nehmen, weiterzugehen. So wie das bei dieser Frau im Nachclub der Fall war. Und ich weiß nicht, wie ihre Geschichte weitergegangen ist, ob sie sich vielleicht doch irgendwann entschieden hat, ihrer Sehnsucht zu folgen.

Gehe ich diesen Weg des Einlassens auf das Leben mit seinen Möglichkeiten, Herausforderungen, lebendigen, saftigen Höhen und furchteinflösenden, verwirrenden Tiefen aber länger, kann ich möglicherweise unter dieser Wellenbewegung so etwas wie einen gleichmäßigen, ruhigen und kraftvollen Strom erkennen. Er fließt unter dem Wogen des Aufs und Abs dahin. Im Buddhismus wird dieser Strom, oder vielleicht ja mehr, dieser Hintergrund, mit Worten wie „Leere“, „Stille“ oder einfach nur „Raum“ beschrieben. Das ist der Raum, in dem alle Ereignisse enthalten sind. Verbinde ich mich mit diesem Raum, eröffnet sich mir die Möglichkeit, nicht mehr ganz mit diesen Aufs und Abs identifiziert zu sein, die sich wie Himmel und Hölle anfühlen können, weil ich nun erkenne, dass es da etwas unabhängig davon gibt. Sozusagen das Und in Himmel und Hölle.

Das heißt aber nicht, dass damit das Leben irgendwie so abgespacet wird, dass mich alles nicht mehr berührt, dass ich auf einmal über alles erhaben bin. Eher das Gegenteil ist Fall: Ich kann dann den Moment und was darin geschieht als das Lebendige sehen, das er ist, und mich dafür entscheiden, ihn wirklich mit meiner ganzen Präsenz zu begleiten und zu leben. Mit einer ähnlichen Zugewandtheit, wie ich z. B. ein Geschenk auspacken oder einer Geliebten oder einem guten Freund begegnen würde. Weil ich aber um die Leere weiß, kann ich das viel spielerischer und freier tun. Ich hab nichts mehr zu verlieren. Dann kann ich einfach losgehen, selbst ohne einen wasserdichten Plan zu haben, und mich in eine Situation wagen, in die ich mich vielleicht ja so noch nie gewagt habe – wie ich damals in diesem Nachtclub. 

Zum Schluss mag ich noch ein seltsames Wort ansprechen, das ich in diesem Gedicht verwendet habe, Komorebi. Das ist ein Begriff aus dem Japanischen – die Japaner haben Worte für Dinge, für die wir nichtmal über ein Konzept verfügen. Komorebi bezeichnet das Licht, das durch Bäume fällt. Also dieses wunderbar sanfte Leuchten, wenn Sonnenlicht durch das Blätterdach in dieser gebrochenen, oft goldenen Qualität scheint. Seine Schönheit kann zutiefst berühren. Wenn ich mich auf dieses Licht einlasse, spüre ich die ganze wundervolle Anmut des Moments, und oft erfüllt mich eine tiefe Dankbarkeit, dass ich gerade jetzt lebe und diese Schönheit wahrnehmen darf. Davon kann man ganz schön besoffen werden.

Outro:

Ich hoffe, du hast diese Episode meines Podcasts genießen können – es ist ja auch ein Stück Lebenskunst, sich solche Momente der Muße und hoffentlich auch der Inspiration zu gönnen und zu  schaffen. Und ein gutes Leben ist eine echte Kunst! Denn der Weg liegt ja oft nicht klar vor mir und dann stehe ich da und weiß nicht so recht – darum geht’s in der nächsten Episode, die trägt den Titel Wenn und Aber.  

Falls du den Podcast noch nicht abonniert hast, dann ist jetzt eine gute Gelegenheit, das zu tun. So bekommst du immer sofort die neueste Episode, sobald sie draußen ist. Über Empfehlungen, Likes und Kommentare freue ich mich wie immer. Es gibt jetzt übrigens bei Spotify eine neue Möglichkeit, Kommentare zu hinterlassen – ich freu mich, von dir zu hören! 

Mein Name ist Lachender Bach, ich bin Poet, Tänzer, Mystiker, Naturcoach und Menschenflüsterer.

Danke fürs Zuhören, und – lass es fließen im wilden Strom des Lebens.

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