Wenn und Aber - Gedicht - Straßenschild
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Wenn und Aber

Der Weg entsteht beim Gehen

Wie oft hänge ich in Zweifeln fest, die mich davon abhalten, einen konkreten Schritt zu machen! Und wie ätzend sind solche Momente und Zeiten! Und doch – es gibt sie immer wieder, und möglicherweise haben sie einen tieferen Sinn, den ich mir in meiner Zielorientierung gar nicht so recht eingestehen möchte.

Ist die innere Klarheit gefunden worden (kleine Lebensweisheit: das geschieht oft nicht durch Nachdenken), dann gehen sich die Schritte oft ganz wie von selbst. Und das sogar im Angesicht von großem Widerspruch.

Kapitel:

  • 00:00:00 Intro
  • 00:00:26 Wenn und Aber – Solo
  • 00:02:35 So wunderbar lost 
  • 00:12:26 Wenn und Aber (Remix)
  • 00:15:36 Outro

Das Gedicht in dieser Episode sprach Viktor Pavel.

Transkription

Wenn und Aber

Da ist ein Graben
So wie ein Sumpf
In den ich trete
Oder plumps
Der bremst mit Aber
Der bremst mit Wenn
Endlosem Gelaber
Dass ich mich nicht mehr kenn

Und so suche ich die Stille
Wo mich findet
mein Gesicht
Diese Stille
die mich trägt
die mich hält
und mein Gewicht
Mutter Erde
Vater Licht

Und ich höre euer Schreien
Finstre Wolken
Im letzten Licht
Graue Wolken
„Du kannst doch nicht …“
„Wie soll den bloß …!“

Doch die Stille
Euer Schreien
Das verliert sich
In der Nacht
Aus der Stille
Kommt der Wille
Aus der Stille
Kommt die Kraft

Wenn ich aber doch
ohne Wenn und Aber
einfach über’s Wasser geh
Der Quadratur
den Kreis erklär
Mich schäl
aus meiner Schale

Wenn ich nicht
zu halten bin
Weil ich schon
gehalten bin
Danke sag zum Denken
Aber danke,
danke – nein

Ich folge diesem Swing in mir
Mal ganz so im Vertrauen
Und als ich denk es geht nicht mehr
Kann ich’s auf einmal schauen

©️ Lachender Bach/Peter Müller 2024

So wunderbar lost

Philosophie ist das Nachdenken über die Welt, das Leben, mich selbst. Die Wikipedia-Definition lautet: In der Philosophie (altgriechisch φιλοσοφία philosophía, latinisiert philosophia, wörtlich[für ]„Liebe zur Weisheit“) wird versucht, die Welt und die menschliche Existenz zu ergründen, zu deuten und zu verstehen. Sie kann ein fuuurchtbar wichtiges Unterfangen sein, sie ist die aber auch die Sprache der Depression. Und damit meine ich dieses Abgeschnittensein, das man in der Depression so quälend erfahren kann und das einen unweigerlich zur Frage nach dem Sinn von all dem führt, nach dem Sinn des Lebens. Denn bin ich voll im Kontakt mit der Welt, so richtig im Geschehen aufgelöst und den wilden Rhythmus des Lebens reitend, dann stellen sich philosophische Fragen normalerweise eher nicht. Dann fühle ich meine Verbindung zum Leben und fände es eine Ablenkungen und unnötigen Ballast, mir über grundlegende Dinge Gedanken zu machen.

Weder das eine noch das andere ist falsch. Vielleicht hat uns das Leben ja genau deshalb diese unterschiedlichen Momente, diese verschiedenen Modi operandi geschenkt, damit wir die verschiedenen Facetten des Seins erfassen können – mit unseren beschränkten Mitteln, die wir als Menschen nun mal haben. 

Es ist eine sehr erfüllende Erfahrung, ganz im Sein zu sein, ganz im Erleben des Augenblicks mit allen seinen sinnlichen Eindrücken. Ich gehe völlig auf und erlebe das, was man als Flow bezeichnet, ein großartiger Moment der Selbstvergessenheit, indem ich völlig mit einer Sache, einem Erlebnis verschmelze. Und das wartet in vielen Dingen des Lebens auf uns, wenn wir uns ihnen ganz hingeben. Musiker erleben das beispielsweise, wenn sie in der Musik aufgehen. Ich kenne Menschen, die gern Klettern gehen und in der Herausforderung völlig aufgehen; und die genau deswegen klettern. Ich erlebe das erfreulicherweise immer öfter, wenn ich Texte schreibe. Solche Flow-Momente sind großartig – das Leben ist perfekt und nichts, wirklich gar nichts fehlt.

Es kann andererseits aber auch sehr lohnend sein, in ein Loch zu fallen. Ich tanze Kontaktimprovisation, eine sehr freie Art des Tanzens. Im Contact, wie’s auch kurz genannt wird, geht es viel auch um Bewusstheit in der Bewegung und im Kontakt. Einer der Momente, der da unterrichtet wird, heißt Gap – also Englisch für Lücke, Leerstelle, Zwischenraum – oder auch Loch. Das Wort beschreibt diesen schrecklichen Moment, in dem man zwischen Dingen steht. Also beim Tanzen kann das heißen, ich bin gerade aus dem Kontakt mit anderen Tänzerinnen und Tänzern gegangen. Möglicherweise tanzen alle fröhlich und beseelt zusammen, nur ich finde mich auf einmal am Rand, zu niemandem zugehörig und scheinbar ohne Bezug zum Geschehen. Das kann ein Gefühl auslösen, nicht dazuzugehören, fünftes Rad am Wagen sein. Es konfrontiert einen mit vielen spannenden und lohnenswerten Themen, eher aus dem schattenhaften Bereich. Für gewöhnlich versuchen wir ja, solche Situationen unbedingt zu vermeiden. Der Partner ist weg – schnell einen neuen suchen. Die Musik ist aus? Gleich neue auflegen. Im Contact aber gibt es die Einladung, diese Momente bewusst wahrzunehmen. Denn möglicherweise bieten sie, außer dass sie sich im ersten Moment sehr unangenehm anfühlen, vielleicht ja noch andere Qualitäten.

Diese Momente, in denen ich überhaupt nicht im Flow bin, öffnen den Blick auf Seiten in mir, die ich ansonsten vielleicht ahne, gerne meide oder schlichtweg nicht an mir wahrnehme. Für Menschen, die an der Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit interessiert sind, ist das aber eine wirkliche Fundgrube. Und weil mit Persönlichkeitsentwicklung mehr innere und äußere Freiheit, eine größere Lebendigkeit und ungezwungene Sinnlichkeit einhergehen und das der Schlüssel für ein frei gestaltetes Leben ist, lerne ich sie immer mehr zu schätzen. Wenn einem so ein Gap-Moment im Leben aufgetischt wird – wir suchen sie so normalerweise so gut wie nie freiwillig auf; oder vielleicht muss ich das doch etwas relativieren: Wer etwa Meditation praktiziert, an einer Visionsssuche teilnimmt, einem Schweigeretreat oder ähnlichem, der begibt sich bewusst in einen solchen Gap. In solchen Gap-Momenten können ganz tiefe Verstrickungen ans Licht kommen und gelöst werden. Der Schlüssel dazu ist übrigens das Annehmen und bewusste Erleben des Schmerzes.

Und so ist es wie bei scheinbar vielen Dingen in unserem Universum, dass sie in einer scheinbar paradoxen Ausgewogenheit zueinander stehen. Es fühlt sich großartig an, im Flow zu sein. Dabei kann ich aber völlig aus den Augen verlieren, wieso ich das eigentlich tue, was ich tue. Es fühlt sich grausam an, im Gap zu sein, aber er kann das Tor zu mehr Freiheit und Verbundenheit sein und mich damit in eine Art von Lebensqualität und Erfahrung – und auch Spiritualität – führen, die ich nie hätte ahnen können. Das geschieht durch die häufig schmerzhafte, anstrengende und mühselige Arbeit des Hinschauens. Die trägt aber ihren Lohn in sich, denn damit kann ich mich wieder ganz anders und mit mehr innerer Kapazität solchen Flow-Momenten zuwenden und sie intensiver erleben und bewusster gestalten. Was sich wieder großartig anfühlt, und bei aller Bewusstheit dazu führen kann, dass ich völlig aus den Augen verliere, wieso ich das eigentlich tue, was ich tue. Bis dann der nächste Gap kommt und mich wieder jäh in den verzweifelten Zustand der Leere bringt, mit der Einladung, mich auf sie einzulassen.

So wachse ich, werde bewusster und freier, und habe die Mittel, die Freiheit zu erhalten und zu gestalten.

Outro:

Das Gedicht unserer heutigen Episode sprach Viktor Pavel . Einen Link zu seiner Arbeit findest du in den Shownotes zu dieser Ausgabe auf meiner Website, lachenderbach.de. Und wir sind damit am Ende angekommen.  

Falls du den Podcast noch nicht abonniert hast, dann ist ja vielleicht jetzt die Gelegenheit, das zu tun. Damit hast du gleich die neueste Episode, sobald sie da ist. Über Empfehlungen, Likes und Kommentare freue ich mich wie immer. Die kannst du auf meiner Website machen oder auch auf Spotify oder YouTube.  Und noch der Ausblick auf die nächste Episode, die heißt Wo dieser Bach entspringt – darin geht’s um dieses geheimnisvolle nicht tuende Tun.

Mein Name ist Lachender Bach, ich bin Poet, Tänzer, Mystiker, Naturcoach und Menschenflüsterer.

Danke fürs Zuhören und Dabeisein, und – lass es fließen im wilden Strom des Lebens.

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